
Die Normannen

Bad Schönborn [ENA] Die Reiss-Engelhorn Museen (rem) in Mannheim zeigen vom 18.9.2022 – 26.2.2023 eine großartig inszenierte Sonderausstellung über „Die Normannen“ mit insgesamt über 300 Exponaten, die von verschiedenen Museen weltweit zur Verfügung gestellt worden sind.
Daneben unterstützen und erleichtern detaillierte Zusatztexte und Erläuterungen sowie Verbindungs- und Kontrastbeispiele den zuweilen komplizierten Nachvollzug für den Besucher. Die Ausstellung beleuchtet den sagenhaften Aufstieg der Normannen vom 8. bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts. Das Besondere dieser Ausstellung zeigen unseres Erachtens zwei Aspekte, einmal ist es der geglückte Versuch, eine erweiterte Definition des Titelbegriffs und ein gezielt weites Ausgreifen dieser Normannen – sozusagen europaweit – darzustellen. Zum anderen ist die Vielschichtigkeit dieses „Normannischen“ in der erzwungenen Verbindung mit anderen Völkern und Kulturen anhand von ausgewählten Exponaten für den nachvollziehenden Besucher sehr zwingend.
Normannen, als Teil und Nachkommen der Wikinger, werden im Norden Frankreichs, der Normandie, sesshaft und schaffen dort ein besonderes Existenz- bzw. Staatsgebilde mit eigenen Strukturen. Von hier aus streben sie sternförmig in alle Himmelsrichtungen. England, Spanien, Süditalien und der gesamte Mittelmeerraum bilden die Hauptstoßrichtungen. Zugleich führt ihr Weg über die Ostsee und durch Osteuropa bis ans Schwarze Meer. Natürlich bedeutet das zunächst einmal Kampf gegen die dort etablierten Gesellschaften. Mehr oder weniger bekannt ist: wendige Schiffe sowie Brandschatzungen an beiden Ufern fremder Flüsse, die hauptsächlich von den eindringenden Normannen benutzt werden. Dies ist die eine Seite.
Gerade dieser Sachverhalt der Anpassung und zugleich das intrinsische Vorgeben der zukünftigen gemeinsamen Politik führt die Normannen zu immer größeren Erfolgen innerhalb wechselnder Umgebungen. Interessant, aber auch als politische Visitenkarte durchaus verständlich, ist zudem die große Bedeutung, welche die Normannen der entstehenden Kunst beimessen. Die Ausstellung bietet hier hervorragende Beispiele. Andererseits gibt es auch Hinweise für eine nahezu ungeheure Untertreibung; unseres Erachtens ist die (Votiv-)Krone Rogers II. ein solches Beispiel künstlerischer Einfachheit. Sie steht in keinem Verhältnis zur vor- gedachten oder wirklichen Machtfülle ihres Trägers.
Die andere Seite, unseres Erachtens der weitaus wichtigere und zugleich komplexere, aber leider der bis dato kaum als Einheit gesehene Aspekt, bildet das einmalige, in die Zukunft weisende Verhalten der Normannen nach ihren brutalen Eroberungszügen. Wir sehen hier das einzigartige, wohlüberlegte Sich-Anpassen der Normannen an die neuen Gegebenheiten, obwohl natürlich jetzt die wichtigsten Entscheidungsbefugnisse der Sieger offiziell an keinem Punkt mehr in Frage gestellt werden. Die Assimilierungstendenzen betreiben zwar richtungsgebend die normannischen Eliten, aber auch der Rest der Neuankömmlinge scheint dem ohne größeren Widerstand zu folgen.
Literatur /Katalog: Hg. von V. Skiba, N. Jaspert, B. Schneidmüller und W. Rosendahl: Die Normannen. – Eine Geschichte von Mobilität, Eroberung und Innovation. Mannheim 2022 (rem, Reiss-Engelhorn-Museen). Verlag: Schnell + Steiner.