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Zu Besuch im Mekka der Fallschirmspringer

Verantwortlicher Autor: Dennis Deis / Sebastian Leuchter Perris / Kalifornien, 29.01.2023, 20:25 Uhr
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Absprung! Eine Springermannschaft beim Sprung aus der Shots Skyvan
Absprung! Eine Springermannschaft beim Sprung aus der Shots Skyvan  Bild: Craig O´Brien

Perris / Kalifornien [ENA] Kaliforniens Klima bietet beste Voraussetzungen für Fallschirmsportler jeglicher Couleur. So erwarben die Conatsers im Jahr 1976 den Flugplatz von Perris Valley. Das sich im Familienbesitz befindende Unternehmen wuchs schnell und entwickelte sich zu einem der weltweit größten Treffpunkte der Szene.

Das im Riverside County, etwa anderthalb Autostunden oder rund 120 Kilometer südöstlich von Los Angeles gelegene doch eher beschauliche Städtchen Perris macht auf den ersten Eindruck einen etwas verschlafenen Eindruck. Wäre da nicht das Fallschirmsprungzentrum mit seinem imposanten Gelände. Neben einem großen Wartungshangar und mehreren kleinen Hallen und Gebäuden ist vor allem der Indoor Skydiving Turm weithin sichtbar. Als eines von nur zwei Ausbildungszentren auf der Welt bietet Skydive Perris so die Möglichkeit der angeschlossenen „bodengebundenen“ Schulung.

Nicht nur Anfänger machen ihre ersten Versuche im Luftstrom des Windtunnels, auch Profis die ihre Flugtechnik verfeinern wollen oder abendteuerlustige Besucher die den Traum vom Fliegen erleben wollen, sind hier anzutreffen. So ist die Flugkammer, die den authentischen Freifall während eines Fallschirmsprunges simuliert, ständig ausgebucht. Ein paar Schritte weiter ist ebenso rege Aktivität angesagt. Direkt am Flugfeld bereiten sich die von nah und fern angereisten Springer in verschiedenen Bereichen auf ihre Sprünge vor, üben das Aussteigen an Attrappen verschiedener Flugzeugrümpfe, packen ihre Schirme oder fachsimpeln in allen Sprachen in gemütlicher Umgebung unter der kalifornischen Sonne.

Noch erholsamer geht es im und um den „Bombshelter“ zu – einer urigen und mit vielen Fotos und Sammelgegenständen dekorierten Bar mit an die einladende Terrasse angrenzentem Pool. Seit 1989 besitzen und betreiben die beiden Geschwister Melanie und Patrick (weithin nur als „Pat“ bekannt) Conatser den Flughafen. Auch ihre noch sehr rüstige und ebenso mit dem Fallschirmsportvirus infizierte Mutter ist noch oft vor Ort. Der Manager des Platzes ist Dan Brodsky-Chenfeld, ein alter Hase unter den Fallschirmspringern mit mehr als 26.000 Sprüngen in 37 Jahren seines Sports und Wettbewerbserfolgen als US und World Skydiving Champion. Mit „Dan BC“ - so sein Rufname - verbindet man gleichzeitig die dunkelste Stunde in der Geschichte von Perris Valley.

Am 22. April 1992 verunglückte eine Twin Otter während der Startphase nach Ausfall des rechten Triebwerks. Von den 22 an Bord befindlichen Personen starben 16. Dan überlebte das Unglück mit schwersten Verletzungen und lag mehr als sechs Wochen im Koma. Er kämpfte sich zurück ins Leben und schaffte was niemand zu glauben wagte: In Rekordzeit kehrte er zurück zu seiner Leidenschaft. Heute ist der sechsmalige Weltmeister gefragter Ausbilder und im Besitz einer Pilotenlizenz. Zudem machte er sich einen Namen als Autor und schrieb in seinem Buch „Above All Else“ über Angst, Unglück und Erfolg. Das Werk eines Menschen der Mut macht, sich nicht unterkriegen lässt und andere durch seine Lebensfreude mitreißt.

Ob militärische Fallschirmjäger, Skydiver, Swooper, Formationsspringer, Wingsuiter, oder ganz gewöhnliche „Freifaller“ – in Perris trainiert alles was mit einem Schirm bepackt aus einem Flugzeug springt. Weltweit gibt es keinen Flughafen, der was Absetzflüge betrifft stärker frequentiert ist als der Perris Valley Airport. Im Schnitt verzeichnet der sich in der An- und Abflugzone der March Air Reserve Base befindliche Platz etwa 140.000 Sprünge im Jahr. Davon sind im Schnitt 7.000 Erstsprünge. Als ein Hotspot der Szene ist Perris Valley immer wieder Austragungsort der United States Parachute Nationals oder anderer nationaler und internationaler Wettbewerbe.

Dazu hat hier die weltweit größte Damen-Fallschirmsprungformation, welcher 181 Frauen aus über 26 Ländern angehören, ihre Heimat. Ein Platz von Rekordhaltern und einer, an dem neue Rekorde aufgestellt werden. Der Standort des Flugplatzes ist hinsichtlich der im Privatbesitz der Conatsers befindlichen Fläche von rund 213.000 Quadratmetern und der umliegenden Freifläche von ca. anderthalb Millionen Quadratmetern perfekt geeignet für den Fallschirmsport. Etwa 40.000 Quadratmeter des Geländes werden bei Bedarf ausschließlich für militärisches Training zur Verfügung gestellt. Sukzessive erlangte der Platz international immer größere Bedeutung für militärische Ausbildung.

So waren in der Vergangenheit neben den amerikanischen Land- Luft- und See Streitkräften regelmäßig auch Gäste aus Großbritannien, Kanada, Indien, Singapur, Schweden und Deutschland, teils mit Spezialeinheiten, vor Ort. Die Teams der Golden Knights (US Army), Leap Frogs (US Navy), sowie der kanadischen Skyhawks haben hier ihr Trainingslager. Für die militärische Ausbildung steht ein gesondertes Trainingszentrum zur Verfügung, in welchem die vor Ort befindlichen Kräfte autark vom zivilen Betrieb bleiben und ungestört ihren Übungsmissionen nachgehen können.

Die 1969 an SAS Scandinavian Airlines ausgelieferte DC-9-21 soll nach Wartungsarbeiten wieder abheben Foto: Dennis Deis
Springer im Endanflug... die Landezonen der Fallschirmspringer liegen nur knapp neben der Landebahn Foto: Dennis Deis
Die 1969 gebaute N101WA beim Start auf Runway 33 zu einem weiteren der vielen Absetzflüge Foto: Dennis Deis

Die wohl wichtigsten Arbeitspferde in der Flotte von Skydive Perris sind neben der von 1965 bis 1988 produzierten und seit 2008 in überarbeiteter Auflage wieder gebauten de Havilland DHC-6 „Twin Otter“, von der bis heute in verschiedenen Versionen mehr als eintausend Exemplare ausgeliefert wurden, die englische Short S.C.7 Skyvan. Dieser im Fachjargon wegen seiner Form gerne „Schuhkarton“ genannte Flugzeugtyp wurde von 1963 bis 1986 lediglich 153 Mal gebaut und von militärischen als auch zivilen Nutzern auf Material- und Versorgungsflügen eingesetzt. Wegen ihrer großen Heckklappe wird die Skyvan heute gerne für Fallschirmsprung-Absetzflüge, insbesondere für größere Formationen, genutzt.

Von der Twin Otter werden drei, von der Skyvan fünf Flugzeuge in jeweils verschiedenen Farbgebungen betrieben. Nach und nach sollen alle Twin Otter im „Shark-Design“ mit großem über den ganzen Rumpf gezogenen Hai lackiert werden. Sowohl die Dash-6, als auch die Shorts sind für die Aufnahme von je 22 Fallschirmspringern ausgelegt. Der wahre Exot unter den Absetzmaschinen in Perris Valley und in dieser Rolle weltweit einmalig ist die McDonnell Douglas DC-9-21 N127NK. Die Maschine wurde ursprünglich im Mai 1969 an SAS ausgeliefert, flog dort bis 1995 und verrichtete ihre Dienste folgend in den USA, bis sie im Dezember 2002 ausgemustert und auf dem Flugzeugfriedhof von Victorville eingelagert wurde und auf ihr weiteres Schicksal wartete.

Pat Conatser kaufte den Airliner im Jahr 2003 zum Schrottpreis von rund 50.000 Dollar und investierte im Rahmen der Zertifizierung rund 500.000 Dollar in Tests und Modifaktionen. Und auch in Sachen Infrastruktur mussten die Flugplatzeigentümer eine nicht unerhebliche Menge Geld in die Hand nehmen: Um die Betriebserlaubnis für den einzigartigen Neuzugang zu erhalten, musste die Runway von 3.000 auf 5.000 Fuß erweitert werden. Fasste die Kabine des Zweistrahlers ursprünglich 88 Passagiere, so finden jetzt immerhin noch 80 Fallschirmspringer Platz in den breiten „Sofasesseln“ des klassischen Jetliners. Über die auf Absetzhöhe abgesenkte Hecktreppe der DC-9 wurden bislang 1.000 Absprünge absolviert.

Während eine Twin Otter im Vergleich rund 15 bis 20 Minuten braucht, um 20 Springer auf 12.500 bis 13.000 Fuß zu befördern, hievt die DC-9 ihre 80 Fluggäste in nur vier Minuten auf die gleiche Höhe, bevor sich die Kabine nach und nach leert. Während die Conatsers auf die Zulassung (3 Jahre bis 2006 dauernd) der Maschine warteten, wurde die DC-9 im Jahr 2005 nach Hurrikan Katrina für Hilfsflüge genutzt. Hierbei wurden Hilfsgüter nach Lousiana befördert und evakuierte Personen nach Houston ausgeflogen. Lange Zeit für aufwändige Wartungsarbeiten am Boden, soll die Maschine in Zukunft wieder eingesetzt werden.

Eine weitere Berühmtheit am Platz ist die DC-3 N26MA, welche, in ihrem hübschen blank polierten Kleid bereits einen Auftritt im James Bond Kinofilm „Ein Quantum Trost“ hatte. Die 1939 gebaute Maschine ist eine alte Bekannte und wurde bereits in den achtziger Jahren durch die Conatsers betrieben. Zwischenzeitlich in den Händen anderer Eigner, wurde die DC-3 kürzlich wieder zurückerworben und soll nach einer Restauration wieder zum Einsatz kommen. Der Platz erlangte über die Jahre hinweg Berühmtheit in vielen Kino- und Fernsehproduktionen sowie Werbefilmen. Zu den bekanntesten zählen Godzilla, Iron Man, Triple X, A-Team, CSI oder Red Bull - Human Flight.

Ist die Parkposition erreicht, steigen die nächsten Springer ein und es geht wieder in die Luft Foto: Dennis Deis
Als einer von nur zwei Plätzen weltweit bietet Skydive Perris die Möglichkeit eines Sprungturmes Foto: Dennis Deis
Twin Otter Ausstiegstrainer – hier haben sich schon unzählige Gastspringer mit Aufklebern verewigt Foto: Dennis Deis

Auch viele aus Funk und Fensehen bekannten Stars machten ihre ersten Erfahrungen im Fallschirmspringen in Perris Valley, darunter Patrick Swayze, Cameron Diaz, Miley Cyrus und Lady Gaga. Los Angeles, die Heimat vieler Promis, ist nicht weit und somit stehen die Chancen nicht schlecht, dass man am Pilgerort der Springergemeinde das ein oder andere bekannte Gesicht erspähen kann.

Doch Skydive Perris lockt nicht nur verrückte Menschen, die sich allein oder im Team wagemutig aus fliegenden Kisten stürzen... die entspannte Atmosphäre am Flugplatz der Fallschirmspringer lädt dazu ein, das muntere Treiben einfach nur vom Boden aus zu beobachten. Auch ganz ohne den freien Fall erlebt zu haben, vergeht die Zeit bei Musik, kühlem Getränk und Hot-Dog unter dem meist blauen Himmel Kaliforniens sprichwörtlich wie im Fluge. Wenn man sich irgendwann dazu überwunden hat „Bye“ zu sagen kann man sich nicht dem Drang entziehen, diesen Ort beim nächsten Aufenthalt im Golden State wieder aufsuchen zu wollen.

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